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Corona – Wie wir mit unserer Angst umgehen können, Teil II

Praxis für Coaching, Paartherapie und Psychotherapie Bergedorf Felicitas Römer. Empathisch, vertraulich, humorvoll.

Mit der Angst in einen freundlichen Dialog treten

 

„Ich habe Angst. Was kann ich dagegen tun?“, werde ich oft gefragt. Die Angst soll gefälligst weg sein, wir mögen sie nicht. Doch warum eigentlich? Kann es nicht sein, dass es einen guten Grund gibt, Angst zu haben? Auch dann, wenn wir diesen vielleicht noch nicht genau verstehen? 

 

Angesichts der aktuellen Situation ist es nur zu verständlich, unruhig oder ängstlich zu sein. Doch auch andere, z.B. irrational scheinende Angst, hat immer eine wichtige Funktion innerhalb unseres Systems. Wir sollten sie daher keineswegs abwerten oder ablehnen. Denn: Sie warnt uns. Sie zeigt uns, dass wir (oder ein innerer Anteil von uns!) auf irgendeine Weise mehr Schutz und Sicherheit brauchen. Sie sorgt im besten Falle auch dafür, dass wir vorsichtig sind und gut auf uns aufpassen. 

 

Wenn Angst jedoch sehr stark wird, macht sie uns handlungsunfähig. Wir fühlen uns ihr dann ausgeliefert. Ängste, die uns selbst unangemessen oder übertrieben vorkommen, haben ihre Ursachen oft in früheren traumatischen Erlebnissen, an die wir uns vielleicht gar nicht mehr bewusst erinnern. Dann gerät das Gehirn schon durch kleine Auslöser in einen Ausnahmezustand, in dem wir nicht mehr richtig denken können. Oft sind uns auch diese Auslöser ("Trigger") gar nicht bewusst. Das können Gerüche, Geräusche, Farben, Stimmen, Erinnerungen oder bestimmte Orte sein. Aber auch eigene Körperzustände können zu Triggern werden. Zum Beispiel starkes Herzklopfen, weil es uns unbewusst an eine extrem bedrohliche Situation erinnert. 

 

Was also tun, wenn wir es mit der Angst zu tun bekommen?

 

Zunächst wäre es hilfreich, die Angst nicht als Feindin, sondern als Freundin anzusehen. Sie will uns ja beschützen. Sie macht uns darauf aufmerksam, dass uns etwas fehlt, um uns einigermaßen sicher fühlen zu können. Folglich könnte ich einfach mal prüfen: Was brauche ich jetzt, um mich etwas sicherer zu fühlen? Was könnte mir jetzt gut tun? Das kann Bewegung sein, Yoga, eine Achtsamkeitsmeditation, ein gutes Gespräch, eine (innere) Umarmung. Oder auch etwas ganz anderes. 

 

Sollte das nicht dauerhaft und ausreichend helfen, lade ich Sie zu einem kleinen Experiment ein:

 

Lernen Sie Ihre Angst doch einfach mal etwas genauer kennen! Sie ist ja nun mal da, und offensichtlich möchte sie wahrgenommen werden. Ich vergleiche Gefühle gerne mit kleinen Kindern: Sie benötigen Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Und wenn sie das nicht bekommen, beginnen sie lautstark darum zu kämpfen. Je mehr ihre Bedürfnisse übergangen werden, desto deutlicher werden sie protestieren. Zurecht! Und genau so ist es mit Gefühlen, die ständig unterbunden werden sollen: Sie werden lauter und drängender, je länger sie ignoriert oder abgelehnt werden. Je länger Sie Ihre Angst also bekämpfen, desto stärker wird sie mit der Zeit werden. 

Es lohnt sich also nicht, dauerhaft gegen die Angst zu arbeiten. Da es aber auch nicht sinnvoll ist, sich der Angst einfach auszuliefern, könnte es hilfreich sein, mal Kontakt zu ihr aufnehmen.* Denn alles, was wir in bisschen besser kennen, können wir besser verstehen. Und das kann ja wiederum manchmal schon etwas Angst nehmen. Also die Angst vor der Angst sozusagen. :-)

 

Bitten Sie Ihre Angst also um ein freundliches Gespräch. (Finden Sie diesen Vorschlag merkwürdig? Nun ja, führen Sie etwa sonst keine inneren Dialoge? Dann wären Sie der/die Einzige. Warum nicht mal diese Fähigkeit ganz bewusst einsetzen? ;-)

Setzen Sie Ihre Angst in ihrer Vorstellung dazu auf einen Stuhl oder aufs Sofa. Nehmen Sie sich etwas Zeit, und schauen Sie sie genau an. Nehmen Sie dabei eine möglichst neutrale Beobacherposition ein. 

 

• Wie sieht die Angst aus? 

• Welche Form hat sie?

• Welche Farbe?

• Ist sie groß oder klein? 

• Dick oder dünn? 

• Hat sie ein Gesicht? Wenn ja: Schaut sie grimmig oder freundlich? 

• Wie ist sie gestimmt? 

• Wie alt mag sie sein? 

• Welchen Namen würden Sie ihr geben? 

 

Stellen Sie sich alles ganz genau vor. Und dann fragen Sie die Angst freundlich, was ihr Job ist: 

 

• Was möchtest du? 

• Was willst du mir sagen? 

• Wofür kämpfst du? 

• Was genau steht in deiner Stellenbeschreibung? 

• Wann warst du zum ersten Mal aktiv? Und wie konntest du mir da helfen?

 

Geben Sie der Angst ein bisschen Zeit für die Antworten. Seien Sie wirklich neugierig und interessiert, sonst zieht sich die Angst vermutlich zurück oder wird kontraproduktiv. Wenn Sie mögen, notieren Sie die Antworten. 

 

Fragen Sie nach, wie Sie die Angst beeinflussen bzw. wann Sie ihr den Weg frei machen: 

 

• Was muss ich tun, damit du dich auf den Plan gerufen fühlst?

• In welchen Situationen fühlst du dich berufen, Alarm zu schlagen? 

• Und was muss ich tun, um dich so richtig groß und mächtig werden zu lassen?

 

Und umgekehrt: 

 

• Was kann ich tun, damit die Angst sich öfter zurückziehen kann? 

• Und wer oder was könnte mir dabei helfen?

 

Keine Sorge, wenn nicht alle Fragen sofort befriedigende Antworten finden. Gehen Sie einfach hin und wieder innerlich in Kontakt mit Ihrer Angst und sprechen Sie freundlich und wertschätzend mit ihr. Probieren Sie es aus. Auch wenn Ihnen dieses Experiment möglicherweise zunächst seltsam vorkommen mag: Meistens ist es sehr spannend, die eigene Angst genauer zu erforschen. Und die gewonnenen Erkenntnisse sind oft sehr hilfreich für die eigene Weiterentwicklung. Wenn wir unsere Angst kennen und ihre Aufgabe verstanden haben, können wir uns konstruktiv mit ihr auseinandersetzen. Und oft gewinnen wir sie sogar ein bisschen lieb. :-)

 

*Wenn Sie Bedenken haben, der Angst auf die beschriebene Weise alleine imaginativ zu begegnen, nehmen Sie diese ernst. Dann ist es sicher hilfreicher, eine solche „Übung“ im Rahmen einer Psychotherapie zu machen. 

 

Text und Foto: ©Felicitas Römer 2020 

 

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